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Jacques Rancière ist bekannt für seine politische Lesart von Kunst. Auch in seinem neuen Buch, Wege der Kunst, unterminnt der Philosoph wieder einen Abstecher in die Kunstgeschichte und fokussiert sich dabei vor allem auf die Wandelbarkeit der Künste, auf die Bewegungsgesetze, die unterschiedliche Kunstgattungen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts allmählich von ihren traditionellen Wirkungszusammenhängen losgelöst haben. Diese neue Autonomie der Künste lässt sie immer mehr in den Alltag eindringen und setzt so auch ihr politisches Potenzial frei.
Seine ersten Schritte als Philosoph machte Jacques Rancière bekanntlich im Umfeld seines Lehrers Louis Althusser, der bis heute als einer der bedeutendsten französischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts gilt. Was im öffentlichen Diskurs weitaus weniger präsent ist als Althussers philosophische Verdienste, ist die Tatsache, dass er seine Frau Hélène Legotien ermordet hat. Der franko-kanadische Politikwissenschaftler Francis Dupuis-Déri arbeitet dieses dunkle Kapitel im Lebens Althussers schonungslos auf, zeigt, mit welchen absurden Argumenten dieser Femizid bis heute gerechtfertigt und schöngeredet wird. Auf diese Weise lässt er auch die in Vergessenheit geratene Hélène Legotien aus dem Schatten ihres Mörders treten.
Dass es um die Fakten heute nicht zum Besten steht, liegt auf der Hand. Seit Trumps zweiter Amtszeit dürfte die Dringlichkeit dieses Problems noch einmal deutlicher geworden sein. Die französische Philosophin Géraldine Muhlmann reagiert auf diese Notlage. In ihrem Buch, Zur Verteidigung der Fakten, geht sie dem Begriff des Faktischen theoretisch auf den Grund und legt die Geschichte eines Mentalitätswandels frei, der im Zeitalter von Deep Fakes und Social Media Bubbles kaum mehr umkehrbar scheint. Muhlmann betont aber auch die Resilienz des Faktischen und zeigt mit Verweis auf Hannah Arendt, dass die gleichsam physische Kraft der Faktizität durchaus in der Lage sein kann, den Bedrohungen aus dem virtuellen Raum standzuhalten.
Das Passagen Lektoratsteam